Als Vorlage für die Jedermann Bearbeitung mit weiblicher Hauptrolle dient die Moralität, eine Theaterform, die sich im Mittelalter aus wiederkehrenden Verboten des öffentlichen Schauspiels entwickelte. Die Moralität folgt der Dramaturgie des Streits diverser Personifikationen von Tugenden und Lastern um die menschliche Seele. Unsere auf Individualität getrimmte Gesellschaft hat dieses Schauspiel längst verinnerlicht – Politik, Werbung und Technologie inszenieren das Gute und Böse, Glaube und Moral als Leitsätze und Schreckensbilder. Die Menschen lassen sich gerne verführen und wollen an einfache Erklärungen in Form von Schwarz-Weiß-Denken glauben. Wer aber sind wir? Welche Glaubenssätze sind die uns eigenen? Was gibt unserem Leben Sinn? „moratorium“ ist eine Einladung zum lust- und humorvollen Nachdenken über das Sinnstiftende im eigenen Leben. Mit ihrer Inszenierung im Stil des Volkstheaters erinnert Lara Tacke auch an ein demokratisches Theater, das für das Volk, im Freien stattgefunden hat. Sie gibt so neue Impulse, wie Kunst und Theater in Zeiten von Corona-Einschränkungen vertraute Räume verlassen können.
Marie-Therese Bruglacher, Kuratorin